Jahreszeiten ❦

Marési Strommer hat viele Gedichte und lyrische Texte zu den Jahreszeiten verfasst. Es ist sowohl für Kinder, als auch für Erwachsene etwas dabei und der Stimmungsbogen spannt sich von heiter bis melancholisch. Die nachfolgenden Beispiele  sind eine kleine Kostprobe.

Frühling - Jetzt ist die Zeit

Es bläst der Wind 'mal hier, 'mal dort,

treibt Wolken her und treibt sie fort

und kann sich nicht entscheiden,

Herrn Winter zu vertreiben.

 

Da öffnet sich das Himmelstor

und Fräulein Sonne tritt hervor:

was ist nur los mit dieser Welt?

Hab' doch den Frühling längst bestellt!

 

Sie weckt mit ihrem Strahlenstab

die Blumen auf landeinlandab

und schmilzt Herrn Winters Mütze

zu einer braunen Pfütze.

 

Herr Winter gähnt: jetzt ist die Zeit,

bin auszuruhen schon bereit.

Er schläft auf einer Wolke ein,

Freund Blaserich weht hinterdrein.

Die Sommerwiesen

Es  gibt sie noch,

die Sommerwiesen,

welche jenen

meiner Kindheit gleichen,

diese bunten 

Grasundblumenmischungen

aus Hahnenfuß,

Gänseblümchen,

Löwenzahn und Klee.

Dazwischen,

ein Schnecklein

mit weit

in die Wiese

hinaus gestreckten Fühlern

stets bereit,

sich zurückzuziehen.

Haiku

Rot glühender Mohn

auf braunen Sommerwiesen.

Heuschrecken springen.

 

Rätsel

Wer wirft dir Kastanien an den Kopf

und bemalt die Blätter aus buntem Topf?

Wer hüllt morgens die Welt in Nebel ein

und schenkt ihr tagsüber viel Sonnenschein?

Wer schickt dir den Wind zum Drachensteigen

und bläst die Wolken zu wildem Reigen?

Wer spinnt Silberfäden zwischen Ästen

und zählt Herrn Raureif zu seinen Gästen?

Wer reicht dir die süßen Äpfel, mein Kind

und lässt die Trauben reifen geschwind?

Wer hängt den schwarzen Holler in den Strauch

und färbt den Hagebutten rot den Bauch?

Nun rate ein Mal, wer kann das wohl sein,

wer fällt dir zu diesem Rätsel denn ein?

Herbst, seltsamer Dichter

Herbst, seltsamer Dichter,

Nachinnenschreiber du

auf Lichtpapier,

schreibst deine Worte

auf raumlosen Zeilen

zwischenschwellig,

winterwärts

bis hin zu dem Tor,

dem einen Tor

zwischen den Welten.

Wie soll ich dich nennen, Herbst

Wie soll ich dich nennen, Herbst,

in dieser Zeit,

wenn aus Wiesentälern

grauer Nebel steigt

und Bäume wie Inseln

aus dem Wolkenmeer

stumm und blickleer ragen?

 

Wie soll ich dich nennen

in diesen Tagen,

wenn Blätter sich kräuseln

wie dunkle Muscheln

an trockenen Stränden und

das Salzwasser meiner Seele

fließt und fließt,

ins Mündungslose sich ergießt?

 

Vielleicht sollte ich mich

zu meiner Seele bekennen

und dich ganz einfach

Wehmut nennen.

Winter

Atem der Erde

wird weißer Kristall

und verzaubert die Welt

in überirdisches Glück.

Advent

Erschienen im "Jahrbuch für das neue Gedicht. Frankfurter Bibliothek, Gedicht und Gesellschaft 2010" (Brentano-Gesellschaft Frankfurt/M., 2010) 

Wenn du jetzt durch den

winterweißen Tann gehst

kann es geschehen, dass

du ein Nüsslein findest

oder einen Apfel.

Vielleicht tönt

aus der Ferne

leiser Glockenklang.

Mag sein,

dass zarte Spuren

im Schnee

dich an jenen Ort führen,

wo dein Herz

ganz ruhig werden und

sich ausbreiten kann

wie lichter Morgennebel 

über einem stillen See.

Ein winziges Geschäft in Salzburg

Ein winziges Geschäft

in einer stillen Gasse

fernab des Trubels

in Salzburg.

 

Hier gibt es noch

Schokoladenikolausfiguren

im roten Staniolpapier.

 

Der Weihnachtsmann kennt

die Adresse nicht

und wird auch niemals kommen

(er passt ja gar nicht

durch die Tür').

 

Aber das Christkind

mit seinen Engeln

war bereits hier.

 

Überall Flugstaub von

silbernen Flügeln

auf bunt schillernden

Kugeln, Sternen und Figuren.

Zimtduft

von himmlischen Spuren

schwebt im Raum.

 

Wie ein Kind,

staunend und klein,

trete ich ein

und bin mitten im Himmel.